Hardegg

Ortsbild Hardegg

Verschiedene archäologische Funde deuten darauf hin, dass das Gemeindegebiet bereits im 3. Jahrtausend vor Christus, also in der Jungsteinzeit, besiedelt war. 1145 n.Chr. wird der Name "Hardegg" erstmals erwähnt, 1290 erfolgte im Kirchenregister erstmals die Stadtnennung, wobei man annimmt, dass das Stadtrecht schon früher vorhanden war. Jedenfalls feierte die Bevölkerung im Jahr 1990 unter Anwesenheit des österreichischen Bundespräsidenten gebührend ihren 700. Geburtstag.

Das heute noch erhaltene Stadtsiegel stammt vermutlich aus dem Jahr 1590. Die Umschrift des Siegels lautet: "Sigillum civitatis in Harteck" = Siegel der Stadt Hardegg. Das eingeschlossene Wappen wird wie folgt beschrieben: "In einem roten Feld ein silberner auf gleichfarbigem Gestein überhöht in der rechten Schildhälfte stehender zinnenbekrönter, mit offenem Tor versehener Wehrturm, der in der linken unteren Schildhälfte von einem goldenen, rechtsgewendeten, aufspringenden Löwen belegt, begleitet wird." Die aus dem Stadtwappen abgeleiteten Farben der Stadtfahne sind "Rot-Gelb-Blau".

Das Herzstück inmitten der Stadt, auf einem Felsen situiert, ist die mittelalterliche Burg, die im 10. Jhd. als Holzwehranlage errichtet wurde und in mehreren Bauperioden über Jahrhunderte hinweg zu einer typischen Wehr- und Wohnburg ausgebaut wurde. 1160 wurde die Kirche, ab 1220 als Eigenpfarre geführt, mit Karner erbaut und in die Wehrlinie der Burg miteinbezogen. Als strategisch wichtiger Punkt gegen Mähren wurde die Stadt mit ursprünglich 5 Stadttoren rundherum aufgebaut. Nach einigen Herrschern aus verschiedenen königlichen und gräflichen Geschlechtern, erwarb 1730 Reichsgraf Sigmund Graf Khevenhüller die Herrschaft Hardegg und brachte somit das über Jahrhunderte bis in die Gegenwart bestehende Adelsgeschlecht in unsere Gegend. 1764 zogen Erdbeben und ein Großbrand die ganze Stadt, v.a. die Burg, in arge Mitleidenschaft, sodass die Burg über Jahrzehnte hinweg einer Ruine gleichkam. Erst 1878 erteilte der Besitzer, Fürst Johann Carl Khevenhüller-Metsch, den Auftrag zum Wiederaufbau, der jedoch nie ganz abgeschlossen wurde.

Hardegg mit BurgBurg Hardegg inmitten der Stadt Hardegg

Eine weitere Wehrburg, die Feste Kaja, erbaut im 12. Jhd., steht ebenfalls auf einem mächtigen Felsen am Fuße der Thaya nahe der Ortschaft Merkersdorf.

Neben der unter dem Dienst der Herrscher stehenden Bauernschaft entwickelte sich im 16. Jhd. allmählich sonstige handwerkliche Erwerbstätigkeit. Neben Bäcker-, Fleischer- und Müllermeister, Gastwirten, einer Brauerei, Binder, Schuster, Schmied und Pulvermacher sind v.a. die Tuchmacher als Vertreter des blühenden Textilgewerbes im Waldviertel und später dann die Perlmutt-Knopferzeugung als besonderes Standbein für Arbeitsuchende, auch aus Böhmen und Mähren, deren Familiennamen bis heute in der Bevölkerung allgegenwärtig sind, zu nennen. Allmählich entfaltete sich die Stadt zu einem wichtigen Handwerkerzentrum, mit starken Zünften und guten Handelsbeziehungen. Ab 1659 wurde in der Schule durchgehend ein Lehrer angestellt, 1965 wurde die Volksschule stillgelegt.

Durch die weltweite Industrialisierung und den Einzug von Maschinen im Handwerksbereich brachen ab 1850 schlechte Zeiten für die kleinen Handwerksbetriebe an; die erste Abwanderungsperiode setzte ein. Erst um das Jahr 1900 kam wieder Leben in die kleine Stadt. Ein Telegraphenamt wurde errichtet, die Bahnverbindung Retz-Drosendorf wurde gebaut, die Straßenverbindungen verbessert und zweimal täglich verkehrte eine Postkutsche. Und mit diesen Errungenschaften entdeckten viele Großstädter, darunter viele namhafte Künstler bzw. der Erfinder Viktor Kaplan, die "Sommerfrische Hardegg". Plötzlich florierte der Fremdenverkehr, man zählte 30.000 Nächtigungen im Jahr, und viele Vereine, z.B. der Männergesangsverein, der Volksbildungs- und der Verschönerungsverein, wurden in dieser Zeit gegründet. Man wollte den willkommenen Gästen an "geselligen Abenden" schließlich etwas bieten. Große Missstimmung gab es nur in den Jahren 1919 und 1920, in denen die tschechische Regierung Annexionsgedanken bezüglich Hardegg hegte. Nach heftigem Widerstand der Ortsbevölkerung und Vorsprache bei der Staatsregierung konnte dieses Vorhaben jedoch erfolgreich abgewendet werden.

In den 1930er-Jahren wurde auch Hardegg von den allgemeinen wirtschaftlichen Turbulenzen mit Konkursen, Arbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung erfasst, die schließlich in der Katastrophe des 2. Weltkrieges gipfelten. Durch die Neuordnung der Grenzen und des damit verbundenen Verlaufs des "Eisernen Vorhanges" entlang der Thaya gegen den Ostblock wurde Hardegg sein wichtigstes Einzugsgebiet und damit die Chance auf einen wirtschaftlichen Aufschwung genommen, wodurch die Abwanderung der Bevölkerung zur Großstadtnähe ihren Lauf nahm. Trotzdem nahmen viele beherzte Bürger in der schwierigen Nachkriegszeit mit russischer Besatzung den Aufbau ihrer schönen Heimat in Angriff.

Nach dem Umbruch im Ostblock und der daraus resultierenden Partnerschaft mit der tschechischen Stadt Frain (Vranov nad Dyji) wurde die 1873/74 erbaute Thayabrücke nach Tschechien im Jahre 1990 wieder eröffnet und steht nun Fußgängern und Radfahrern als Grenzübergang zur Verfügung. Durch die Grenzöffnung einerseits und die im Jahr 1993 im Barockschloss Riegersburg durchgeführte Landesaustellung andererseits konnte der Fremdenverkehr wieder belebt werden. Die wichtigste und größte Einrichtung für den Tourismus stellt jedoch der Nationalpark Thayatal dar, der nach jahrelangen Bemühungen im Jahr 2000 eröffnet werden konnte und nunmehr dafür sorgt, dass viele Gäste das unter Naturschutz stehende Thayatal, die Stadt Hardegg als kleinste Stadt Österreichs und die gesamte Gemeinde mit ihren Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten (Burg Hardegg, Schloss Ruegers (ehem. Schloss Riegersburg), Ruine Kaja, Galerie und Guckkastenmuseum Hardegg, einziger Perlmuttverarbeitungsbetrieb Österreichs, etc.) kennen und schätzen lernen. Allen Wanderern und Radfahrern bietet das Thayatal ideale Voraussetzungen, Sagenumwobenes aus der bewegten Geschichte zu entdecken oder einfach nur die Seele baumeln zu lassen, um einmal so richtig dem Alltagsstress entfliehen zu können.

Text von Prof. Dr. Konrad Jekl, aus dem Buch "Hardegg und seine Geschichte"